Leseprobe

Mittwoch, 3. September 2008

...Projektionen

Als er zur Bar ging gab er nicht wie üblich seine Bestellung auf. Wie ferngesteuert blickte er nach links und begegnete ihrem unverstellten Blick. Es war als könnte er ihre Seele erkennen und zum allerersten Mal sich mit einem anderen Menschen wirklich verstehen.
Während die Zeit stillstand, sagte ihm sein Bewusstsein, dass die Sekunden vergingen. Dies war der Moment auf den er schon immer gewartet hatte.
Er tat nichts.
Noch immer blickten sie sich gegenseitig in die Augen. Sie stand ungefähr einem Meter vor ihm, direkt vor ihm. Wie mochte sie ihn einschätzen? Ihr Blick war jetzt frecher.
Sie sagte „Und ... wer bist du?“ mit dem unglaublich süßesten spanischen Akzent, den man sich nur vorstellen konnte.
„Ähm... gute Frage. Ich heiße Frank. Und du?“ „#?+\*“ „Wie?“ „Ma‘?#´“
Abseits Ihrer Augen war hier drin kaum etwas zu verstehen „Wie heißt du?“ „Martica“ „Mucho Gusto“.
Ihre Augen fragten, wie er es anstellen könnte, ihr Interesse zu wecken. Versau‘s bloß nicht!
Ob er ihren Klischees der deutschen Männer entsprach?
Wie oft wurde Sie in diesem oder in ähnlichen Lokalen angesprochen – die ewig gleichen Fragen nach ihrer Nationalität, ihren Freunden, ob Sie öfter hier her kommt, ob Sie noch andere Lokale kennt, in denen man Mädchen wie Sie kennenlernen könnte – wie sehr ihr diese Art von Unterhaltung zuwider war.
Am Allerschlimmsten wurde es, wenn diese Deutschen versuchten, sich mit ihr auf Spanisch zu unterhalten.
Konnten diese Deutschen trotz ihrer großen Dichter und Denker kein vernünftiges Gespräch anfangen? Beschränkten sich alle ihre Sätze auf Schablonen, die so auch von Speedy Gonzales stammen könnten? Was zum Teufel stimmte hier nicht?
Als hätte es noch des Niederschlagens ihrer Augen bedurft, begann Frank zu lächeln. Ein Gefühl des Angekommenseins nach einer lan¬gen Reise breitete sich in ihm aus. Hier mit ihr war jetzt sein zu Hause.
„Ich würde dich gern kennen lernen.“ Direkter ging’s ja wohl nicht. Keine Fehler hier und heute, sabotier dich nicht wieder selbst, laß das!
Die Hände in ihren schmalen Hosentaschen versteckt, sah sie zur Bar, besser sie sah durch die Bar hindurch , auf die andere Seite, auf der in ihrer Heimatgemeinde ihre Eltern, ihre Freundinnen und ein durch die Bar nur undeutlich zu erkennender Verlobter auf sie warteten. Gut aussehend, keine Frage. Nur leider die reine Fiktion. Sie entschloss sich, das Träumen zu lassen und sich auf diesen komischen Gringo einzulassen, der ihr weniger schlecht als die anderen Leute hier schien.
„Was machst du hier?“
„Du ich bin gerade erste gekommen und wollte mir etwas zu trinken bestellen. Du hast mich ganz schön aus dem Konzept gebracht.“
Sie schüttelte den Kopf so dass ihre langen dunklen Haare ihr ins Gesicht fielen und ihre Augen verdeckten.
„So siehst du noch viel besser aus“
Jetzt mußte sie wirklich lachen.
„Was trinkst du?“
„Rotwein, nur Rotwein“
„Kann ich Dir einen bestellen?“
„Nein ich habe schon“. „Aber vielleicht meine Freundin.“
Sie zeigte nach hinten. Dort stand mit einem anderen Mann laut gestikulierend ihre Freundin.
Sie erinnerte sich daran, wie peinlich berührt manchmal diese komischen deutschen Männer reagierten, wenn es naheliegend gewesen wäre, jemanden einzuladen. Sie verstand die Leute hier wirklich nicht. Sie wollten feiern und gleichzeitig doch nicht. Sie hoffte, dass er diese Prüfung bestehen würde.
Frank lehnte sich an der Bar zu ihr herüber. „Magst du was trinken?“ Fast ohne ihre Unterhaltung zu unterbrechen, antwortete sie „Eine Bierr“. „Und für deinen Freund“ Sie lachte „Ere ist niecht meine Freund“ „Was trinkst du“ „Ein Bier, danke“.
...
„Erzähl mir etwas von Dir.“ „Was?“ „Du hast mich vorhin gefragt wer ich bin. Das möchte ich auch wissen.“ „Ich bin Martica!“ „Nein nicht wie du heißt, wer du bist!“
Martica lachte erst, musste dann aber seufzen und begann zu erzählen. Von Zuhause, ihrer Familie, ihren 2 Geschwistern. „Möchtest du sie sehen“ „Ja klar“. Martica öffnete ihre Handtasche und holte das Foto, welches sie im Kreis ihrer Familie zeigte, hervor.
Frank betrachtete es aufmerksam.
An einem sonnenüberfluteten Pool saßen da die Mutter, Bruder und Schwester und Martica. Die Mutter in der Mitte mit ihrer jüngsten Tochter auf dem Schoss, Marticas Bruder, der bereits mit ungefähr 16 als Macho durchgehen konnte zur Linken der Mutter. Die Schwester hob ihre Hand zum V hinter dem Kopf ihrer Mutter. Martica stand hinter den Dreien und umfasste Sie alle mit ihren Armen wie eine Madonna und sah dabei unbeschreiblich glücklich aus. Das wahre Oberhaupt der Familie , so viel war schon mal klar.
„Du sieht glücklich aus auf diesem Foto“ „Weißt du, das ist meine Familie“

Donnerstag, 19. Juni 2008

Ab geht die Party und die Party geht ab

Am Türsteher vorbei führte eine Treppe vom Dunkel der Nacht in ein kassemattenähnliches Gewölbe.
Die ganze Bar war in ein warmes Halbdunkel gehüllt. Das Licht leuchtete so auf die Wände aus Backstein, dass sich Schatten auf ihrer Struktur bildeten, Schemen der Geschichten und Dramen, die sich hier schon abgespielt hatten.
Man spürte, dass man an einem Ort des Lebens war. Einem gefährlichen Ort.
Der Treppe gegenüber lagen die beiden Toiletten, fein säuberlich beschriftet, mit gediegenen grünen Türen mit Messingbeschlägen. Rechterhand unter den Kellerfenstern konnte man seine Sachen aufhängen. An wenigen Haken hingen Berge von Jacken, Schals, Sakkos, selbst Mützen und Hüte.
Links von der Treppe erstreckte sich die Bar selbst, das Herzstück des ganzen Ladens. Ein Pfeiler vor der Bar teilte den Raum. Weiter hinten neben der Bar lag eine Art Separee für Paare, die sich hierhin verirrten.
Um diese Zeit, 23 Uhr, war die Bar noch fast leer. Das hieß, alle Tische waren besetzt, aber es musste noch niemand stehen und man konnte noch atmen. Leise säuselte Barmusik; verführerische Stimmen elfengleicher Wesen, die hier jeden Augenblick erscheinen müssten, tönten aus dem Lautsprecher.
Vorne hockten einige bebrillte und geschniegelte Youngster gebückt auf unbequem wirkenden Barhockern und hielten ihre Drinks schützend vor sich, nur für den Fall, dass sich jemand auf ein Gespräch mir Ihnen einlassen würde. Die Jungs wirkten noch ganz frisch, waren sicherlich das erste Mal hier, deswegen waren sie auch viel zu früh dran.
In wenigen Stunden würden ihnen die bis dahin konsumierten Cocktails vorspiegeln, ihre Erwartungen hätten sich erfüllt. Halb enthüllten Körpern würden Sie die Suche nach Sex unterstellen und musternde Blicke würden Sie für Interesse halten. Ihren eigenen gierigen Ausdruck würden Sie beim Blick in den Spiegel nicht mehr wahrnehmen.
Vielleicht würden Sie nachher, wenn ihr sensibles Gleichgewicht aus Selbstbewusstsein und Alkoholspiegel gekippt war, einen vor der Tür geparkten Porsche zerkratzen, wer weiß. Das die vor und hinter diesem Porsche geparkten Autos ein Bentley und ein Ford Mustang GT sind, würde sie aber dann doch davon abhalten.
Am nächsten Montag würden Sie wieder in ihrem Job (Internetagentur, Finanzdienstleister, Architekturbüro, Klinik, alles ab 10 Stunden täglich aufwärts) erscheinen, bereit, sich selbst zu versklaven.
Die Funktionsweise dieses Ortes war Ihnen völlig unbekannt. Einen erprobten Kompass im Dschungel aus Liebe, Sex, Anziehung, sozialer Stellung und Geld besaßen sie nicht. In ihrer Erziehung war Ihnen beigebracht worden, alle anderen Menschen gleich wertvoll zu schätzen und selbst gleich zu sein. Die in ihren Studentenpraktikas und ersten Anstellungen gesammelten eigenen Erfahrungen hatten diesen Wert bereits erschüttert, aber noch nicht ausgelöscht. Egoismus und Gier würden sie bald verbittern. Neoliberales Wirtschaftsnachrichtengewäsch würde sie dabei schmerzfrei stellen, die Abende hier sie betäuben.
In wenigen Jahren würden Sie aussehen wie dieser zynische Samstagabendanzugtragenmüssendrecksack, der da eben zur Tür reinkommt.
....

Montag, 7. April 2008

Gekreuzte Wege

„Leidest du unter deiner Identität?“
Sie musste sich fassen um mit einem Nicken die Frage zu beantworten.
Genau wie Frank selbst wurde sie 1970 gebo­ren. In den 70er Jahren sollten ja wohl auch in Russland, ähm der Sowjetunion die Narben des großen Krieges verschwunden sein. Zumindest die Zerstörungen. Bei vielen auch die Bitterkeit. Vielleicht auch die Erinnerung. Ganz sicher aber noch nicht die in den Herzen auf Genera­tionen eingepflanzte Angst vor den mächtigen Nachbarn im Westen.
Nackt lag sie an seiner Seite und begann von ihrer Kindheit zu erzählen.
Frank versuchte sich vorzustellen, wie Sie auf­gewachsen war. Sicherlich nicht einfach mit einer Propaganda, die die eigene Herkunft ab­lehnt.
Sie erzählte ihm, dass ihre Eltern die „Heimat“ bereits nicht mehr kannten. Dass ihre Großel­tern, als der Krieg sich näherte, ihre Heimat an der Wolga verlassen und alles, ihren Besitz, ihre Existenz und auch ihre Erinnerungen zu­rücklassen mussten, um in einer lebensfeindli­chen Umgebung hinter dem Ural mit nichts neu anzufangen. In Zeiten eines Krieges, in dem es um das nackte Überleben ging und Diktatoren ein Gespinst von Angst und Lügen um alle Menschen bauten. Dass aber Sibirien ihrer Meinung immer noch besser war, als in der kasachischen Steppe dahin zu vegetieren und mit Kamelkacke Feuer zu machen.
Das in der Zeit, in der sie in die Schule ging, sich plötzlich einige Dinge änderten. Dass auch deutsch unterrichtet wurde. Dass plötzlich auch nicht alles deutsche schlecht war, zum Beispiel gab es da einen vorbildlichen Antifaschisten mit Namen Thälmann, der an der Seite der Sowjetmenschen stand und sich dem National­sozialismus entgegenstellte. Dass dieser Thäl­mann, abseits aller Verklärungen durch die Kommunisten, für Sie persönlich nicht mehr und nicht weniger als ein Bindeglied zu ihrer Identität und ihren Wurzeln darstellt.
Es gelang ihm nicht.
Frank war im Osten Deutschlands aufgewach­sen. Er konnte aus den Tiefen seiner Kindheits­erinnerungen das Wirken der Propaganda auf ihn hervorholen und rekonstruieren. Lebhaft in Erinnerung war ihm noch der Besuch in einem slowakischen Kinderferienlager. Wie viel Spaß er dort hatte. Wie toll die Abende an den Lager­feuern waren. Wie persönlich sich die Betreuer um jeden einzelnen von Ihnen gekümmert hat­ten. An die Morgenapelle der Jungen Pioniere – ideologisch halb so wild, dachte er. Und an den Besuch an einem Partisanendenkmal. Ziemlich beeindruckend, alles aus polierter Stein mit einem großen Museum. Alle Jungs waren töd­lich gelangweilt und desinteressiert.
Frank versuchte in diesem Museum die Bilder der Propaganda zu verstehen. Es erschrak ihn. Wie böse die Deutschen dargestellt worden. Und wie heldenhaft und strahlend die anderen – die dann auf den Bildern auch noch gewannen! Ungerecht – er wollte bei den Guten sein!
Und ... ganz wichtig für einen Zwölfjährigen, dass er beim Abschied aus dem Ferienlager weinen musste. Nein, nicht wegen dem Lager­feuerquatsch, sondern wegen eines blonden slowakischen Mädchens, Namen längst verges­sen, lange, lockige blonde Haare, ihrem Alter vier Jahre voraus. Das heißt, eigentlich waren ihre Haare nicht blond, sondern hatten einen leichten rötlichen Schimmer. Jeder Junge wollte ihr Freund sein. Frank hatte ihr viel von sich gezeigt. Sie hatten sich wohl auch geküsst. Sie hatten sogar einmal gestritten – genau – jetzt fiel es ihm wieder ein - wegen seines Stolzes. Frank wollte nicht zugeben, dass er einer von den Bösen war.
Später, mit 17, war er dank großzügigem FDJ-Reisesponsorings dann auch in Auschwitz ge­wesen. Keine Propaganda. Zumindest keine die in seiner Erinnerung haften blieb. Aber er kann sich gut an das Grauen erinnern, welches er inmitten der übriggebliebenen Baracken emp­funden hatte. Durch schnurgerade Wege heult der Wind das Grauen. So weit man sehen konnte in jede Richtung Baracken. Und in ih­nen Verschläge mit eingeritzten Notizen, Zeug­nisse der Menschen, deren Leben hier zu Ende ging. Der Geruch von Desinfektionsmittel und die immer noch zu spürende Anwesenheit vom Tod. Nichts war mit diesem Ort vergleichbar, nicht Dachau, nicht Buchenwald, kein Friedhof, kein Schlachtfeld und erst recht keine slowaki­schen Partisanendenkmäler aus poliertem Tra­vertin.
Das Grauen hatte diesen Ort für immer in Be­sitz genommen. Es war an diesem Ort immer noch da, immer noch zu spüren.
Ob er etwa einer von den Bösen war?
Was mochte das für den Menschen, der jetzt neben ihm im Bett lag, bedeuten? Sie war jetzt hier und wurde nicht länger abgelehnt. Ihre Zukunft lag vor ihr. Nichts konnte sich mit ih­rem Ehrgeiz messen. Sie würde es schaffen, keine Frage. Sie brauchte auch keine Hilfe von ihm, da war er sich sehr sicher.
Aber konnte sie Liebe annehmen? Wie würde er sich nach der Nacht mit ihr fühlen? Frank war sich nicht sicher, ob er es herausfinden wollte.

Freitag, 21. März 2008

Kreuzung die dritte

„In meiner Erinnerung war es genau anders. Du hast die ganze Zeit geredet. Und wie du dich ausgedrückt hast ! So – anders!“
„Habe ich kein richtiges Deutsch gesprochen?“
„Doch du hast perfekt Deutsch gesprochen, aber irgendwie anders, als ich es gewohnt bin.“
„Habe ich Dialekt?“
„Nnnein. Vielleicht ein bisschen.“, log Frank geistesgegenwärtig.
„Ich möchte, dass du mich immer, wenn ich etwas nicht richtig sage, korrigierst!“ sagte Elena in einem Tonfall, der keine Zweifel daran ließ, dass sie es genauso meinte.
„Versteh mich nicht falsch, Elena. Du sprichst einfach anders, weil du dich so gewählt ausdrückst. Ich meine, die Leute hier auf der Straße sprechen irgendwie anders. Deine Sprache ist von einem anderen Planeten.“
„Denkst du, dass ich aus einer anderen Gegend komme?“
„Venus vielleicht?“
Elena schüttelt halb genervt den Kopf und bedeckte ihre Augen mit der Hand.
Vor dem Kreuz München Nord kam der Verkehr zum Stehen. Stop and Go Verkehr.
„Ich bin schon Deutsche“ sagt Elena mit Bestimmtheit ihre Unsicherheit zur Seite schiebend, und weiter nach einer Weile: „aber ich bin nicht hier geboren.“
Frank sieht sie kurz an, um zu verstehen, wieso sie das so traurig sagt.
„Ich bin in Russland geboren.“
„Und wo genau bist du geboren?“
„Kennst du nicht!“
„Sag trotzdem, wo bist du geboren.“
„Novokusnezk“
„Wo ist das?“
„Ich hab dir doch gesagt, dass du das nicht kennst.“
„Woohoo !?“
„Zwischen Tomsk und Novosibirsk“
„Sibirien?“
„Ja“
„Ich mag das nicht, alles an der Herkunft festzumachen. Wichtiger ist es, wohin man geht!“
„Weißt du wohin du gehst?“

Mittwoch, 19. März 2008

Die Kreuzung - II

„Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.“
„Ich auch nicht.“
„Hat sich das heute beim Frühstück entschieden?“
Fast ein erstes Lachen, am Ende noch leicht gedehnt ins Ausatmen übergehend, so als ob sie meinte, wenn du wüsstest, wie Recht du hast.
Draußen flogen in rascher Folge eine Shell-Tankstelle, gelbe Rapsfelder, sowie die Autobahnabfahrt Erding vorbei. Und die Abzweigungen und Auffahrten des Autobahnkreuzes Neufahrn, in denen Frank sich neu in den Verkehr einsortieren mußte.
„Ich hab natürlich darüber nachgedacht, und mir ausgemalt, wie das Wochenende wird.“
„Manchmal ist es besser, man denkt nicht so viel nach.“
Am Rand der Autobahn entstanden links und rechts neue Schallschutzwände. Dreck und Lärm waren nicht gemocht. Um sich zu schützen, bestanden die Anwohner auf Erdhügel und graue Betonwände, die sie abschirmen und den Krach auf der Straße hielten. Auf jeden Fall verhinderten sie das Betrachten der Reihenausidylle vom Auto aus. Kein noch so plastikartig wirkendes Gewerbegebiet war von der Straße aus zu sehen, tunnelartig wurde der Blick auf Mittelstreifen und Verbotsschilder gelenkt. Auch Autofahren war hier ein rein funktionales von A nach B gelangen und damit die logische Fortsetzung des Münchner Flughafens. Wahrscheinlich galt dies auch für das Leben in den halben Häusern dahinter.
„Ich möchte, dass du weißt, dass ich keine Erwartungen habe. Mir geht es darum dich kennenzulernen.“
„Gut, dass du keine Erwartungen hast!“
Frank überlegte, wie er ihr eine Brücke bauen konnte, damit sie das Beste aus dieser Situation machen konnten.
„Schau mal, es ist ja nicht gesagt, dass wir gut miteinander zurechtkommen. So ein Wochenende kann ganz schön lang werden.“ Elena nickte den Kopf zur Seite geneigt. „Ok, wir haben uns gut verstanden auf der Party. Und ich war fasziniert von dem, was du mir erzählst hast. Aber ich bin ein bißchen unsicher, wie die nächsten zwei Tage werden.“
Die Arme bis zu Frontscheibenbegrenzung durchdrückend atmet Elena erst mal tief durch. Franks Geständnis macht es ihr leichter, die eigene Unsicherheit zu akzeptieren und mit der Entscheidung vom Frühstückstisch zu leben.
„Das Gespräch mit Dir hat mir auch sehr gefallen. Ich weiß aber nicht, ob du dir vorgestellt hast, das wir 2 Tage nur reden.“
„Bisschen knapp, oder?“. Seine klitzekleinen Provokationen verfehlten ihren Zweck nicht, die Temperatur stieg auf leicht über Null.
„Ich meine, ich habe keine Ahnung, wie nah wir uns die nächsten Tage kommen und wie ich damit umgehen kann. Ich möchte dich nicht verletzten, aber du solltest wissen“, Elena suchte nach den richtigen Worten, „... also ich kann ... also ich weiß nicht, ob ich Gefühle für dich habe.“
Ermuntert von Elenas Offenheit, fühlte sich Frank aufgefordert seine Gefühlslage ebenfalls zu erklären.
„Das weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, das ich mich wohl gefühlt habe in deiner Nähe.“
„Versteh mich nicht falsch, wenn ich überlege was ich jetzt fühle, ... , jetzt ... also jetzt ... Pfff ... ich weiß nicht.“

Sonntag, 16. März 2008

Die Kreuzung - I

Normalerweise gibt es an Flughäfen ja Besseres zu tun. Flughäfen sind magische Orte, moderne Bindeglieder zwischen den Welten. An Flughäfen sind außergewöhnliche Ereignisse und un-vorbereitete Zusammentreffen möglich. Eine gewisse Grundunsicherheit der Leute im Transit trägt wohl dazu bei. Eine saubere und helle Atmosphäre. Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen aus den unglaublichsten Ecken der Welt hierher kommen. Millionen sich kreuzender Lebenslinien bilden ein Geflecht möglicher Ereignisse. Knoten trennen sich, Fäden werden neu aufgefädelt. Die Duty-Free Flasche wird zum Schmetterlingsflügel im Pazifik, der den Wirbelsturm in der Karibik auslöst.
Mit dem Verschwinden der Grenzen sind neue Verbindungen entstanden. Persönliche. Familiäre. Milliarden Menschen leben außerhalb der Umgebung in der Sie aufgewachsen sind und sind den Futtertöpfen der Globalisierung hinterher gezogen. Millionen Menschen hatten den Mut, Wurzeln zu kappen, auf Traditionen zu pfeifen, einem Partner aus einer anderen Kultur zu folgen und mit ihm neu anzufangen.
Ohne die in ihrer Kultur verankerten Wurzeln treiben Menschen als Treibsand durch die Flughäfen der Welt. Viele sind noch nicht angekommen, sind auf der Suche nach ihrer Bestimmung und ihrem Leben, wurden vom Partner und dem Leben enttäuscht und in ihren Hoffnungen getrogen. Andere haben Kinder, die das Programm ihres Lebens bestimmen.
Für Menschen im Transit hat Frank heute keinen Blick übrig. Frank wartet auf Elena.
Seit er Sie damals auf der Geburtstagsparty seiner Schwester kennen gelernt hatte, war er nicht müde geworden, sie anzurufen, ihr mit kleinen SMS und anderen Aufmerksamkeiten nachzustellen. Und dann, im letzten Telefonat über 500 km hinweg, waren Sie sich so nah gekommen, dass Frank gar nicht anders konnte, als es auszusprechen.
Frank hatte Sie eingeladen. Auf ein Wochenende in München. Zum Kennenlernen.
Ganz schön verrückt! Einfach so, man sieht sich auf einer Geburtstagsparty, man kommt ins Gespräch, nichtssagender Smalltalk. Man tanzt 10 Minuten miteinander, tauscht die Telefonnummer beim Abschied aus und macht das Versprechen anzurufen 2 Wochen später wahr und verbindet den Anruf mit einer Einladung auf ein gemeinsames Wochenende.
So war’s nicht.
In den Erinnerungen seiner Fotokiste kramend wird Frank seine Elena auf der Geburtstagsparty mit dem Sektglas in der Hand an seiner Seite sehen. Ein anderes Foto, sie beide tanzend.
Und noch eins beim Tanzen, er ganz bemüht. Nein, das ist zu häßlich, zu viel Wollen von seiner Seite. Aber Sie, sie sieht immer gut aus. Ein wenig distanziert. Nicht wirklich dabei. Trotzdem ihm vertrauend und sich in seine Hand begebend.
Es waren keine 10 Minuten, in denen sie miteinander getanzt haben. Es war ein Augenblick und eine Ewigkeit. Und es war auch kein Smalltalk. Das was sie von sich preisgaben, reichte, um einander zu erkennen. In ihrer Ähnlichkeit. Jemand anderes würde vielleicht Seelenverwandtschaft sagen, wenn er den Menschen gefunden hätte, mit dem er sich vorstellen könnte, im Altersheim immer noch interessante Gespräche zu führen. In den wenigen Sätzen, die sie tauschen konnten, wurden keine Antworten gegeben. Das eigene Terrain der Selbstdefinition wurde abgesteckt und mögliche Gemeinsamkeiten gesucht. Und ihr Abschied war auch kein Telefonnummerntauschen. Vielmehr hatte Elena ernsthaft überlegt, was sich hinter der von Franks Schwester ausgesprochenen Einladung, doch über Nacht zu bleiben, verbarg. Bis zu ihrem Gehen bestimmte das Knistern zwischen den beiden die ganze Party. Es war kein vordergründiges, offensichtliches Interesse, es war nur so dass die beiden die Nähe des anderen suchten und versuchten zu sprechen. “Nimm dich in Acht, Elena ist auf der Suche“, hatte ihm seine Schwester noch gesagt, nicht wissend, dass ihn ihre Botschaft nicht erreichen konnte.
Die Fragezeichen, die sich bei Frank nach diesem Kennenlernen einstellten, verschwanden auch nach Wochen noch nicht.
Um entweder die Frau seiner Träume oder seinen Frieden zu finden, beschloss Frank seine Unsicherheit beiseite zu schieben, den Fragezeichen auf den Grund zu gehen und etwas zu wagen. Nachdem er dreimal hintereinander die gleiche Antwort nach der genauen Schreibweise ihres Familiennamens bekommen hatte, ließ er ihn auf ein Flugticket drucken, welches er auf die Reise nach Berlin schickte.
Und hey, hier war er, hatte eine Rose in der Hand und wartete und stellte sich Fragen, was Sie denn das ganze Wochenende anstellen sollten.

Samstag, 8. März 2008

Eigenes Terrain

Da sie auch in ihrem Mißverständnis übereinstimmten konnten sie sich weiter unterhalten.
Und du erzähl mir von deiner Familie: Wieviel Geschwister hast du – Zwei.
Siehst du sie oft? Nicht so oft, sie wohnen in Berlin. Wann hast du sie zuletzt gesehen? Im August, zum Geburtstag meiner Schwester.
Martica erzählte weiter, von einer Au-Pair Agentur, die sie nach Deutschland geschickt hatte, von ihrer Gastfamilie, deren Kindern, ihrer Sprachschule, die ihre Gastfamilie bezahlte.
Wie ist deine Gastfamilie so? Martica verzog den Mund zu einem Schmollen. Geht so - nicht schlecht – aber es ist nicht meine Familie. Verstehe.
Sicherlich nicht einfach hier für dich, alles anders, allein, und nur wenig Geld. Martica sah ihn direkt in die Augen an und hoffte jemanden zu finden, der sie wirklich verstehen könnte. Sie hatte Zweifel.
Nein, es ist nicht einfach für mich. Wenn ich etwas möchte, muss ich meine Familie dreimal fragen. Ich möchte nicht jeden Abend auf die Kinder meiner Gastfamilie aufpassen. Ich möchte leben, möchte frei sein und gehen können wann ich will und wohin ich will. Die Mutter der Kinder ist nett zu mir und gibt mir mehr Geld als sie müsste, aber ich bin doch keine Hausangestellte.
Sicherlich hatten sie jede Menge Personal in Kolumbien, dachte Frank und versuchte sich, in ihre Situation hinein zu versetzen.
Frank konnte nicht mehr jedes ihre Worte verstehen. Er beugte sich zu ihrem Mund und genoss es, ihr nah zu sein. Ihre Haare dufteten nach Sommer und Produkten, die es so hier in München seit Jahrzehnten nicht mehr zu kaufen gab.
Es war jetzt so eng, dass es unmöglich war, sich nicht zu berühren, selbst wenn man es nicht gewollt hätte, was sie nicht wollten. Für beide verschwand die Geräuschkulisse der Bar, sie waren jetzt zu zweit. Frank wusste, jetzt kam es darauf an, Martica von sich zu überzeugen.
Sein Mund war nah an ihrem Ohr. Er zögerte. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und sah ihm in die Augen.
Falls dieses Erlebnis Bestandteil eines Plans war, ließen sie ihn fallen. Frank verlor in diesem Moment seinen Verstand.
„Ich möchte dich küssen“ Sie rückte näher an ihn heran und öffnete ihren Mund: „Noch nicht“.

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Ther Hampe - 25. Jul, 11:16
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viel (Gast) - 24. Apr, 20:30

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